Narziss, du Opfer!
- Bar&Co
- 28. Mai – 16. Juni 2018, Di-Sa um 20 Uhr
- Nachwuchswettbewerb 2018
Die Finalist*innen
Das Motto des elften Nachwuchswettbewerbs Narziss, du Opfer! ist auf sehr großes Interesse gestoßen. Es haben 93 Gruppen ihre Projekte eingereicht. Die Teilnehmer*innen kommen vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum. Nach drei Tagen intensiver Hearings, zu denen dreizehn Gruppen eingeladen waren, stehen jetzt die Finalist*innen fest. Ausgewählt wurden vier Projekte, die uns durch einen klaren inhaltlichen Fokus und eine schlüssige theatralische Umsetzung überzeugen konnten.
TRAILER
Allesleut
Bye bye baby balloon
Zurück zur Mitte. Oder was halt jetzt die Mitte ist – da sagt man was – ja, da sagt man auch halt schnell was daher
Als Einzelner hat man so gut wie verloren. Privat als auch wirtschaftlich und politisch sowieso. Und so machen die Allesleut das Gekränkt-Sein zum gemeinsamen Nenner, finden sich im Frust und in der Enttäuschung über ein System, das sie vernachlässigt und ausgelassen hat, blasen sich auf in der Sehnsucht nach Gemeinschaft. Ein Wohlgefallen am großen Riss?
Text, Regie: Valerie Voigt-Firon Bühne: Thomas Garvie
Regieassistentin: Yasmine Steyrleithner
Es spielen: Ursula Doll, Lisa-Carolin Nemec, Ela zum Winkel
Pech gehabt, Marie!
Ist der Erzählung der EU als Bollwerk gegen den Nationalismus, als symbolischem Raum des Friedens, der Mobilität und Freiheit noch zu trauen? Ist eine solidarische Praxis innerhalb des neoliberal organisierten Wirtschaftsraums überhaupt möglich? Oder ist das alles ein romantisches Märchen? Frau Holle schüttet ihre Gaben aus. Und Hebenstreit, Knauschner und König hinterfragen, ob zur Goldmarie nur die wird, die sich den Bestimmungen unterwirft.
Theaterverein Geschwister Varga. Netzwerk zur Förderung und Entwicklung demokratischer Theaterarbeit
Konzept, Regie: Bérénice Hebenstreit, Josefine Knauschner
Bühne, Kostüme: Mira König
Es spielen: Gina Christof, Hannah Lou Harrison, Seraphine Rastl
Herzlichen Dank an: Valentin Schwarz (Redaktionsteam „Entzauberte Union. Warum die EU nicht zu retten und ein Austritt keine Lösung ist“ hg. Attac) für die inhaltliche Unterstützung und Gilbert Handler für die Coverversion von Ein bisschen Frieden und an:
Der Anti-Storch
Der Waldrapp ist ein grottenhässlicher Vogel. Wo ein Waldrapp auf dem Dach sitzt, brennt das Haus. Wo er auf dem Feld nach Würmern sucht, wächst kein Halm mehr. Wo er ins Fenster guckt, stirbt das erstgeborene Kind – so dachte man über ihn. Hat diese Rhetorik es leichter gemacht, ihn auszurotten? Können wir auf Hässlichkeit verzichten? Ist die Frage nach der Moral (auch) eine ästhetische? In einem theatralen Essay begeben sich Dorn ° Bering auf die Suche nach der Ästhetik unserer guten Vorsätze.
Performancekollektiv Dorn ° Bering
Konzept, Text, Regie, Ausstattung, Spiel: Gesa Bering, Stephan Dorn
Cinema Perverso
In Cinema Perverso wirft eine Generation den Blick auf sich selbst. Zu jung, um in Bolzplatzromantik zu schwelgen, zu alt, um als Digital Natives durchzugehen, spielt sie die Erklärungsversuche durch, die sie sich in ihrer Jugend aus Vulgärfreudianismus und dem Fernsehen zusammengebastelt hat. Zwischen zermürbenden Beziehungen, unerreichten Bildungszielen, falschen Freunden und Karies rutscht der Alltag in die Diagnose, die nicht mehr halten will.
Regie: Johanna Mitulla Text, Dramaturgie: Florian Ronc
Bühne: Patrick Wäsler Assistenz: Mareike Heitmann
Es spielen: Georg Bütow, Jan Liefhold
Die ausgewählten 20-Minuten-Projekte werden 3 Wochen in der Bar&Co zu sehen sein (Premiere: 28. Mai 2018). Den Gruppen steht in der Probenphase die Regisseurin Katharina Schwarz als Coach zur Seite. Es gibt zwei Preise zu gewinnen: den Publikumspreis, der mit 1.000 Euro dotiert ist, sowie den Jurypreis. Jenes Stück, das die Jury (Esther Holland-Merten, WUK Wien, Veronika Steinböck, KosmosTheater Wien und Wolfgang Kralicek, Kuratorium der Stadt Wien) zum Sieger kürt, erhält 5.000 Euro von der Kulturabteilung des Magistrats der Stadt Wien für die weitere Ausarbeitung des Projekts in der folgenden Saison.
Das Resümee und die Statistik zu den Einreichungen gibt es hier zum Downloaden.
Wer sind die Jungen in Wiem?
Theater Drachengasse /// 06. Juni 2018 /// Narziss, du Opfer!
by Clara Gallist
In der Inneren Stadt werden wieder Preise vergeben. Am 16. Juni wird man wissen, wer in der kommenden Saison seinen_ihren zwanzigminütigen Entwurf zum abendfüllenden Stück ausbauen darf. Die Auswahl wird schwer fallen.
Nachwuchswettbewerbe sind so ein Ding. Man kann einfahren und furchtbar langweilige oder ärgerliche Stücke sehen. Es kann aber auch lustig, entspannt und real abgehen. Die diesjährigen Finalist_innen zeigen Breite – vom realpolitischen EU-Märchen über verzwirbelt-poetische Welterklärung zu sehr gutem Schmäh und Realness-Romantik. Lang fühlt sich dieser 1:40 h lange Abend nicht an.
Allesleut von Bye bye balloon
Drei gebeugte, weibliche Weiße erklären mir chorisch und als Echo die Welt. Ich kann nicht ausmachen, wer da spricht. Ich komm nicht wirklich mit dem Text oder dem Spiel mit. Allgemeine Weltkritik zieht an mir vorbei.
Pech gehabt, Marie! von Bérénice Hebenstreit und Josefine Knauschner
Frau Holle erzählt zwei Mädchen zwei Märchen – das von der Welt, die nach den zwei großen Kriegen Friede wollte, und das von der Gold- und der Pechmarie. Doch in dieser Version bringt Frau Holle – ganz eingepackt in einen zunehmend bühnefüllenden EU-Flaggen-Blauen Plastikpolster – den beiden Maries das Haushalten bei. Hebenstreits einfache, konzentrierte, lockere und selbstbewusste Art des Inszenierens konnte man zuletzt in Superheldinnen am Volkstheater sehen. Und auch hier wundere ich mich kichernd, wie spannend und gut ausgewiesen realpolitisches Theater sein kann. – Ich dachte eigentlich, das geht sich nicht mehr aus gemeinsam – direkte politische Aussagen in der Kunst. Aber – es geht hervorragend. Und Spaß macht es auch noch. Nicht zuletzt ästhetisch in klar gearbeiteter Gestik und fein abgestimmtem Szenebild.
Der Anti-Storch von Performancekollektiv Dorn ° Bering
Sehr lustiges, gut gearbeitetes Duett über das Aussterben des Waldrapps – wär er doch nicht so lecker gewesen. Sympathisch, witzig und gut in seinen zwanzig Minuten Länge.
Cinema Perverso von Johanna Mitulla
Johanna Mitulla merken Sie sich jetzt bitte einfach. In einer Zeit, in der ästhetisch und inhaltlich immer unentspannter nach dem „Neuen“ und „Heutigen“ am Theater gesucht wird, packt Mitulla die Ästhetik des Wetter-Magazins einfach auf die Bühne und scheißt sich nichts. Zwei Männer streiten wunderschön aneinander vorbei. Beziehungsprobleme werden über einen klirrend schönen Wettstreit im Sandwich garnieren ausgetragen – bis einer heult. Mitulla beutelt den Staub aus dem Theater und füllt den so gewonnen Raum mit Realness, die Spaß macht. Frisch, neu, geil – leider nicht 100% sauber gearbeitet (Text, Aussprache), aber wie dieser Entwurf einen ganzen Theaterabend füllt, würde mich interessieren.
„Ich bitte dich in meiner Gegenwart nie du selbst zu sein. Sonst müsste ich mich dazu verhalten.“ (Cinema Perverso)
neuewiener.at