DIE DÜNTZER RHAPSODIE
- Publikumspreis Nachwuchswettbewerb 2024
- Uraufführung
Eine Koproduktion mit Flirty Horse Art Collective - Bar&Co
- 20. Jänner – 1. Februar 2025, Di–Sa um 20 Uhr
Das Jahr 1995. Große Nachrichten haben die Stadt Düntz vor kurzem erschüttert: Martha Rehberger, die Tochter des örtlichen Bestatters, zieht nach Wien, um an der Universität zu studieren. Alle 732 Düntzer:innen kommen morgens zur Bushaltestelle, um ihr Auf Wiedersehen zu sagen. Eine von ihnen, die sechzehnjährige Claudia, ist in Martha verliebt, aber sie hatte nie die Gelegenheit, ihr ihre Gefühle zu gestehen.
Die Düntzer Rhapsodie entfaltet ein Panorama, das den Moment als eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft sieht. Zwischen Nostalgie und Utopie balancierend, reflektiert das Stück auf humorvolle Art und Weise die Problematik der Beziehungen zwischen Land und Stadt.
Ein Projekt von Barbara Maria Angermaier, Bianca Anne Braunesberger, Marika Rainer, Ivan Strelkin, Kasija Vrbanac Strelkin
Dauer: 80 Minuten
Dorf-Satire im wilden Genremix
Düntz ist ein ganz gewöhnliches österreichisches Kaff: Die Leute sind rassistisch, sexistisch, homophob. Es gibt ein Gasthaus, einen Friedhof und eine Bushaltestelle. Von hier fährt Martha Rehberger eines Tages nach Wien, um zu studieren. Eine riesengroße Sache für das Dorf und der Anfang der Geschichte über Claudia und Dani, die zurückbleiben. Aber Achtung: „Ein Tag in Düntz ist wie 30 Jahre in Wien!“ „Die Düntzer Rhapsodie“ der Gruppe Flirty Horse Art Collective ist Musiktheater, Satire und Figurenspiel in einem. Marika Rainer und Barbara Maria Angermaier rappen und singen Operettenlieder, aus Kuscheltieren und Puppen werden Dorfbewohner. Ziemlich schräg und ziemlich witzig.
FALTER, 4/2025, 21.01.2025
Zwischen Dorf und Stadt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
„Die Düntzer Rhapsodie“ gewann im Vorjahr den Publikumspreis im Nachwuchsbewerb und ist nun als Vollversion im Theater Drachengasse (Wien) zu erleben. Kuhglocken läuten. Eher werden diese Töne aus dem Off eingespielt. Die Bühne ist leer. Noch ziemlich lange. Während das Publikum schön langsam die Sessel im Bar & Co, dem zweiten Spielraum des Theaters Drachengasse in der Wiener Innenstadt besetzt, vermittelt das Geräusch den einen Spielort von „Die Düntzer-Rhapsodie“. Die 20-Minuten-Version gewann im Vorjahr den Publikumspreis beim 16. Nachwuchsbewerb dieses Theaters.
Auf in die Stadt
Düntz – ein fiktives „Kaff“ mit 733 Einwohner:innen. Eine davon, Martha, macht sich auf in die Großstadt, nach Wien. Alle anderen Bewohner:innen sowie mindestens eine Kuh ist bei der Busstation angetanzt, um die Ausreisewillige zu verabschieden. „Claudi“, eine davon, heult rotz und Wasser. Für sie war / ist Martha seelische und moralische Stütze im geistig und gefühlsmäßig rückständigen Düntz. Außerdem liebt sie die Abreisende, ohne es dieser je gestanden zu haben. Das ist die Ausgangslage für die knapp mehr als 1¼ Stunden voller Auf und Abs, meist humorvollem Schauspiel rund um überhöhte Klischees aus Land und Stadt, Sehnsuchtsträume nach Freiheit, (Geschlechter-)Gerechtigkeit, Demokratie, nachhaltigem Umgang mit Ressourcen und so weiter. Und der Umkehr von Rollen (Text, Choreografie: Bianca Anne Braunesberger; Regie, Text: Ivan Strelkin).
Rollen-Umkehr
Ist Barbara Maria Angermaier, die zunächst mit Blockflöten-Spiel auftritt die Claudia, die so gern auch nach „Wean“ wollen würde und ihre Schwester Daniela (Marika Rainer) die Bodenständige am Land Verwurzelte, so kehren sich Jahre später – oder sind es nur Tage?! – diese Rollen um. Nun will Erstere die Zweitgenannte aus der Stadt zurückholen. Habe sie doch versprochen dort Demokratie zu studieren und diese daheim zu vermitteln. Aber die erscheint ihr nun beim Wien-Besuch mehr als abgehoben…
Musikalische Bandbreite – gekonnt gesungen
Die Szenen sind voll schräg, die Spielerinnen agieren höchst körperlich und zusätzlich mit Puppen und Objekten, richten scheinbares Chaos auf der Bühne (Kasija Vrbanac Strelkin) an, nutzen zeitweise den Gang zwischen den Publikumsreihen um von oben herab nach unten zu debattieren. Und sie schlüpfen auch in Rollen anderer Dorfbewohner:innen, insbesondere der Eltern. Neben (selbst-)ironischem Spiel – oft ansatzlos pendelnd zwischen Hochsprache und Dialekt – überzeugen die beiden obendrein mit gekonntem Gesang. Wobei die Bandbreite der Lieder (die Texte stammen auch von ihnen) von volkstümlich, Rap, Beatboxing bis zu Opernarien reicht.
“Zeitreisen“
Eine kulturproduzierende Städterin meinte spontan nach der Vorstellung: Das ist wirklich so, ich komm auch aus einem kleinen Dorf, da glaubst du wirklich, wenn du auf Besuch bist, du reist Jahrzehnte zurück. Oder ist es nur so, dass in der Großstadt genauso rückständige Ansichten und Verhaltensweisen da sind, nur vielleicht in anderen „Blasen“, in denen sich die aus Dörfern „Geflüchteten“ gar nicht aufhalten (wollen)?
kijuku, 23.01.25
