SICHER IST SICHER
- Zwei Stücke
- Olivier Chiacchiari
- Theater Drachengasse
- 15. November – 22. Dezember 2010, Di-Sa um 20 Uhr
Eigenproduktion Theater Drachengasse
Man glaubt immer, dass so was nur den Anderen passiert und eines schönen Tages, zack, erwischt es einen selber.
Die Angstbeißer fürchten um ihr Gepäck, um ihr Leben, um ihr Auto, um alles. Ein harmloses Zusammentreffen an einer Bushaltestelle entwickelt sich zu einem Bedrohungsszenario, bei dem am Ende niemand mehr weiß, wer für wen gefährlich ist und wer wen retten will. Zumal sie – obwohl sie alle die gleiche Sprache sprechen – einander partout nicht verstehen können.
Die Zauderer werden Zeugen eines Kampfes. Eins ist klar: da muss man eingreifen. Doch jede Handlung zieht Konsequenzen nach sich und die muss man vorhersehen können. Zuerst muss man versuchen, zu verstehen, dann methodisch vorgehen und natürlich muss man auch den Schuldigen eruieren ...
DAUER: 1:20
WIR DANKEN DER SCHWEIZERISCHEN BOTSCHAFT FÜR IHRE UNTERSTÜTZUNG
Wo die Ängste nur zum Lachen sind
Für den Beruf des Schauspielers war er nach eigenen Angaben zu nervös. Also entschloss sich der gebürtige Schweizer Olivier Chiacchiari, die Seiten zu wechseln, um als Autor bei der Aufführung seiner Stücke „im Stillen vor sich hin zu sterben“. Im Wiener Theater Drachengasse hatte Chiacchiari bei der österreichischen Erstaufführung zweier kurzer Einakter keinen Grund für Todesängste.
Unter dem Titel „Sicher ist Sicher“ hat man in der Drachengasse Chiacchiaris böse Farce „Die Angstbeißer“ und „Die Zauderer“ (noch bis 22. Dezember) zu einem kurzweiligen Abend mit Tiefgang kombiniert.
Sprachlosigkeit Eine Bushaltestelle im Nirgendwo. Ein Mann und eine Frau treffen hier aufeinander. Er ist Vertreter, sie Diplomatengattin. Sie fühlt sich bedroht, denn zwischen beiden herrscht Sprachlosigkeit. Als ein debiler Wachmann und eine Studentin dazukommen, eskaliert die Situation. Pfefferspray und Schlagstock, Pistole und Revolver – jeder gegen jeden lautet das Motto.
All das ist stellenweise unfassbar komisch, da Regisseur Josef Maria Krasanovsky seine vier Darsteller in überdrehte Slapstick-Posen führt und genüsslich an der Temposchraube dreht.
Ruhiger dann „Die Zauderer“, Chiacchiaris Abrechnung mit der Untätigkeit der Vereinten Nationen während des Bosnien-Krieges. Hier werden zwei Männer Zeugen einer Auseinandersetzung und überlegen so lange, was zu tun sei, bis die Kontrahenten tot sind.
All das wird in Fiona Bradys karger Bühne von Katja Reichert, Christina Scherrer, Giuseppe Rizzo und vor allem von Wolfgang Oliver sehr gut und mit viel Einsatz gespielt. Kein Grund zum Sterben also.
KURIER, 17. November 2010
Schockierende Verhaltensmuster des Alltags
Als erste von vier Eigenproduktionen hatte jetzt im Theater Drachengasse "Sicher ist sicher" Premiere. Der junge Schweizer Autor Olivier Chiacchiari präsentierte schockierende Verhaltensmuster des ganz alltäglichen Wahnsinns.
Zwei Menschen warten an einer Bushaltestelle, beginnen zu reden, verstehen einander aber nicht. Dominiert sind sie von der Angst vor dem Fremden, und so führt ein kleines Missverständnis beinahe zu einer Katastrophe, tatsächlich jedenfalls zum Chaos. Besonders als sich auch noch ein Sicherheitsbeamter einmischt. Sie fürchten sich vor einander, bedrohen einander: Nutznießer des Irrsinns ist schließlich eine lachende Dritte.
Schmaler Grat zwischen Klamauk und Entlarvung
"Die Angstbeisser" nennt sich der Einakter, in dem einem trotz grotesker Verzerrung alles so ungemein bekannt vorkommt. Danach dann: "Die Zauderer", zwei Männer, die angesichts einer brutalen Rauferei so lange Hilfsstrategien entwickeln, bis die Kämpfer tot sind.
Der österreichische Regisseur Josef Maria Krasanovsky inszenierte die herrlich schrägen Stücke brillant, völlig überdreht, souverän auf dem schmalen Grat zwischen unterhaltsamem Klamauk und faszinierender Entlarvung balancierend.
Das hervorragende Darstellerquartett (Wolfgang Olivier, Katja Reichert, Giuseppe Rizzo, Christina Scherrer) bringt das Publikum zum Lachen, zum Nachdenken, zum Frösteln. "So viel irrwitzige Dummheit kann es doch gar nicht geben", denkt man und weiß in Wahrheit, dass man ihr täglich begegnet. Die einfallsreiche Ausstattung von Fiona Brady ist ein wesentlicher Faktor dieser gelungenen österreichischen Erstaufführung.
Wiener Zeitung, 17. November 2010
Zwei kurze Stücke über die Angst im Menschen
Was die Angst aus den Menschen macht, zeigen zwei Stücke des Schweizer Autors Olivier Chiacchiari. Der Abend „Sicher ist sicher“ vereint „Die Angstbeißer“, worin eine alltäglich scheinende Situation an einer Bushaltestelle in Gewalt eskaliert, und „Die Zauderer“, in dem zwei Männer durch ihr zögerndes Handeln einen Doppelmord geschehen lassen. Bemerkenswert an beiden Szenarien ist, dass sich die Figuren in ihrer persönlichen Bedrohung selbst hineintheatern, bis hin zum Slapstick. In Josef Maria Krasanovskys Inszenierung spielen sich allen voran Wolfgang Oliver und Giuseppe Rizzo gekonnt zu seelen- und mitleidlosen Wesen, schmieden „Allianzen des Bösen“ – und wähnen sich dabei immer im Recht.
FALTER, 1. Dezember 2010