Leicht

  • Esther Muschol und Benjamin Rufin
  • Theater Drachengasse
  • 28. Februar – 19. März 2022, Di-Sa um 20 Uhr
    keine Vorstellungen am 1., 2., 9.,10. und 17. März 2022
    Tickets gibt es hier: tickets.drachengasse.at


















 

Wie geht das nur? Im Labor für rhythmische Reisen durch Raum und Zeit arbeiten ein Stepptänzer und ein Sprachakrobat an ihrem geheimen Auftrag. Sie lauschen der Welt, vermessen die Stille, schreiben Gedichte mit den Füßen, erzählen sich ins Weltall, unter Wasser und in die große Stadt. 

LEICHT ist ein Forschungsprojekt, das sich in einer Zeit der Lähmung und Ratlosigkeit aufmacht, die Schwerelosigkeit neu zu erfinden, absurde Einfälle zu feiern und den Beweis für die Schönheit skurriler Entdeckungen zu erbringen. 

Dabei erfinden sich die beiden Forscher gegenseitig, stolpern offenen Auges über Erwartungen, Sehnsüchte, Einsamkeiten und tanzen mit der gnadenlos anziehenden Schwerkraft des Lebens.

Idee: Esther Muschol und Benjamin Rufin
Regie: Esther Muschol
Choreographie: Benjamin Rufin
Bühne, Kostüme: Magdalena Gut
Musik: Manu Mitterhuber
Regieassistenz: Katharina Reinthaller
Es spielen: Benjamin Rufin und Lukas David Schmidt

Ö1 Beitrag mp3

benjaminrufin.de

Drachengasse: Stepptanzend wirbelt ein Duo durchs All

„Leicht" von Regisseurin Esther Muschol und Choreograf Benjamin Rufin hatte am Montag im Theater Drachengasse Premiere: starker Jubel.

Der Name ist Programm: „Leicht“ heißt das Stück, angenehm leicht wurde es inszeniert und choreografiert. Benjamin Rufin und Lukas David Schmidt heben auf der Bühne des Theaters Drachengasse ab. Manu Mitterhuber sorgt für originelle Soundeffekte und nostalgische Musik. In nur 66 Minuten fühlt man sich von Regisseurin Esther Muschol auf eine abwechslungsreiche Reise geschickt – zurück in den Dadaismus, dann in den Slapstick der Stummfilm-Ära. In die Dreißigerjahre mit ihren ausgelassenen Stepptänzern, die das bedrohliche Grollen in finsteren Zeiten überdecken. Vor in die Zukunft, raus ins All, begleitet von Jazz, der zeitlos ist.

Worum geht es bei dieser Aufführung? Das ist nicht genau festzumachen. Es wird getanzt, gesungen, sinniert über Sein und Zeit und die Welt an sich, geblödelt. Schwere Themen, beinahe schwerelos angespielt. Rufin besprüht zu Beginn barfüßig, liebevoll und stumm die vielen Pflanzen mit Wasser, die Bühnenbildnerin Magdalena Gut an allen Ecken und Enden in einer Art Wintergarten platzierte. Der Raum wird abstrakt durch ein Holzgerüst begrenzt, der Boden besteht aus Holz, einem kleinen Teich, Kies. Es knirscht und platscht zuweilen, offenbar elektronisch verstärkt.

Auf einer Treppe sitzt Schmidt, bockig. Er sagt: „Sein es einen Scheißentag“, als sei er Yoda aus dem Film-Epos „Krieg der Sterne“. Doch den Gleichmut des alten Jedi-Meisters besitzt er nicht, er steigert sich in die Rede eines Wutbürgers. Auch die ganze Woche, die Monate, Jahre und Schaltjahre seien so: „2020, 2021, 2022 – Superscheiß.“ Rufin blickt erstaunt, die Rollen sind verteilt wie im Marstheater von Karl Kraus, das er „Die letzten Tage der Menschheit“ nannte; der eine der Nörgler, der andere der Naive.

Sie werden zusammenfinden und auch das Publikum mit einbeziehen. Zuvor aber sind Krisen zu durchleben, etwa die: Per Telefon bestellen die Beiden eine Pizza Margherita („geschnitten“) und ein Tiramisu („mit zwei Löffeln“). Doch gegen Ende kommt der Anruf, dass nicht geliefert werden könne, weil es keinen Ofen gäbe.

Was tun? Sind wir im „Endspiel" verloren? Die Frustration des Anfangs ist verflogen; selber einen Teig kneten! Schmidt bereitet ihn zu, lässt die Zuseher kosten. Alle wird gut.

Bis es aber soweit ist, bietet das Duo eine entzückende Show voller Clownerien und Artistik. Da schaut der eine ganz besorgt, wenn der andere ins Off abhaut. Wird er sich etwas antun? Erleichterung, als man die Spülung der Toilette hört. Rufin schaltet das Radio ein, ein Hit von Cole Porter. Nun wird getanzt, in den Teich gesprungen, dass es nur so spritzt. Nach und nach macht auch Schmidt mit, vollbringt athletische Hebefiguren. Sie steppen synchron, dass es nur so hallt, singen, dass es nur so schmerzt – „Puttin' on the Ritz“ oder „Cheek to Cheek“, wobei man sofort an Fred Astaire denkt. Die Darsteller kommen sich Schritt für Schritt näher.

Wir retten Robben

Das Charmante dieses kurzweiligen Abends sind die Tempo- und Stimmungswechsel. Da wird gechillt und gebrüllt. Wenn plötzlich einer ausgestreckt auf dem Boden liegt, kommentiert der andere: „Du bist eine 60 Jahre alte, gestrandete Robbe.“ Gleich würden die Robben-Haie da sein, aber nur keine Angst: „Wir retten Robben!“ Geht es jetzt auch um die Umwelt? Nein, um viel mehr. Ums ganze Weltall. Schmidt erklärt rasant die Drehbewegungen der Erde, die um die Sonne taumelt, den Wechsel vom Julianischen zum Gregorianischen Kalender, die Tücken der Zeit und Zeitmessung. Beunruhigend: Unsere Galaxie rast mit 2,1 Millionen Stundenkilometern durchs All.

Also doch ein „Scheißentag“? Lieber schaut man inzwischen weg und verbringt die Zeit mit Sprachspielen oder bösen Märchen – „Tanzen sollst du, bist du kalt bist!“ Rufin hascht nach Seifenblasen, setzt sich ins Publikum und bezieht sie ins Spiel mit ein. Generelles Klatschen und Wischen. Lachen. Die Pizza-Lieferung ist abgesagt? Na und? Eben erst haben wir gelernt, keine Angst zu haben, etwas zu verpassen, zu wenig zu verprassen. Es braucht nämlich gar nicht so viel, eine ganze Welt auf eine kleine Bühne zu bringen. Herzlicher und lang anhaltender Applaus in der Drachengasse.

Die Presse


Duett wider die Schwermut

Was passiert, wenn Godot eine Pizza ist, auf die ein schüchterner Stepptänzer (Benjamin Rufin) und ein sprachgewaltiger Schauspieler (Lukas David Schmidt) warten? Die Regisseurin Esther Muschol ließ die beiden Männer in einem von Holz eingerüsteten Raum mit etlichen Pflanzen gemeinsam und gegeneinander improvisieren und entwickelte daraus ein absurdes, fast clowneskes Duett. Gallige Ernst-Jandl-Interpretationen treffen auf Schwimmflossen-Fights, Jam-Sessions in "Stomp"-Manier und enormen Enthusiasmus über astronomische Fakten. Der Titel "Leicht" deutet auf die Absicht des Abends, einen liebenswert heiteren Kontrast zur bedrückenden Gegenwart zu bieten. Das ist gelungen.

FALTER 10/22 vom 09.03.2022


Leichtfüßig und schwermütig

„Leicht“ – ein kombiniertes Tanz-Schauspiel in einem „Gewächshaus“-Forschungslabor im Theater Drachengasse (Wien).

Von den rund 1000 Liter Wasser in dem großen Becken vor der schmalen Bühne in „Das weiße Dorf“ im Theater Drachengasse (Wien) haben sich zwei, drei Geißkannen voll ins jetzt laufende Stück „Leicht“ hinübergerettet. Sozusagen.

Das Team des neuen Stücks, das dem Titel alle Ehre macht, hatte das Becken gesehen und gebeten, die Wanne zu belassen. In einem kleinen Eckerl gibt’s nun eine große Lacke (Pfütze). Ansonsten wurde nicht nur die Wanne mit Holzbrücken überbaut, die Seiten zu den beiden links und rechts befindlichen Publikumsreihen zieren Gewächshaus-artige Holzkonstruktionen. Pflanzen, Blumenlampen. (Bühne, Kostüme: Magdalena Gut)

Forschungsprojekt beschreibt das Theater in der Kurzinfo die Performance „Leicht“. Ausgedacht von Regisseurin Esther Muschol und Tänzer Rufin trifft letzterer in den 1 ¼ Stunden auf Schauspieler Lukas David Schmidt. Ersterer fröhlich, gut drauf, (Stepp-)tanzend, der Kollege griesgrämig, angefressen. Leichtfüßig der eine, schwermütig der andere.

Während ersterer quirlig umherhüpft, zitierte sein Kollege – von Sprachkünstler Ernst Jandls „Konversationsstück Die Humanisten“ inspiriert Sätze wie „sein das heuten tag sein es ein scheißen tag, sein das gestern tag sein es gewesen ein scheißen tag ebenfalz…“

Wie von Beginn an zu erwarten, ohne allzu viel zu spoilern, kommt es zur Annäherung der beiden Akteure und ihrer Gemüter – bis hin zu gemeinsamen Tanz-Choreos. Und der Schauspieler kommt aus seiner Sch..-drauf-Stimmung in eine teils philosophische Betrachtung von Relativität der Zeit – sei es durch den scheinbaren Widerspruch still zu stehen und dennoch mit unserer Erde rasend schnell durchs All zu sausen oder Betrachtungen der menschlichen Zeiteinteilung und ihrer Tücken bis hin Schaltjahren und Kalenderreform.

Und dennoch wirken selbst solch schwere Themen in diesem Spiel so wie es der Titel verspricht. Ein kurzes Aussteigen aus der schwer auszuhaltenden Realität – ohne seichte Ablenkung zu sein.

Follow@kiJuKUheinz, 4.3.2022


Spielplan Januar 2022