Der Anti-Storch

  • Ein theatrales Essay über Aberglaube, Appetit und gute Absichten
    Uraufführung
    Jury- und Publikumspreis des Nachwuchswettbewerbs 2018
    Eine Koproduktion mit Theater Drachengasse
  • Bar&Co
  • 13. – 16., 20. – 23., 26. und 27. Februar 2019 um 20 Uhr





















Der Waldrapp ist ein grottenhässlicher Vogel. Um Gottes Willen, so hässlich! Wo ein Waldrapp auf dem Dach sitzt, brennt sicher bald das Haus. Wo er auf dem Feld nach Würmern sucht, wächst kein Halm mehr. Wo er ins Fenster guckt, stirbt das erstgeborene Kind – macht so eine Rhetorik es leichter, ihn auszurotten? Können wir auf Hässlichkeit verzichten? Ist die Frage nach der Moral (auch) eine ästhetische? Und was, wenn man hässlich ist, aber wahnsinnig lecker? Was sagen die letzten übriggebliebenen Exemplare selbst dazu? Passt der Vogel noch in eine Welt, die fast vierhundert Jahre ohne ihn funktioniert und sich verändert hat? Wieso sollte ausgerechnet der Waldrapp das Wappentier für eine bessere Zukunft sein? Ganz einfach: weil wir heute schlauer sind als gestern. Und morgen schlauer als heute. Und gestern dümmer als nächste Woche.

Dorn ° Bering begeben sich auf die Suche nach der Ästhetik unserer guten Vorsätze und können jetzt schon sagen: es sieht nicht gut aus.

Performancekollektiv Dorn ° Bering
Konzept, Text, Regie, Spiel: Gesa Bering, Stephan Dorn
Dramaturgie: Florian Ronc
Ausstattung: Kathi Sendfeld


TRAILER

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturabteilung des Magistrats der Stadt Wien.

 

"Heute Abend stirbt niemand aus"

Drei Eier liegen im Nest. Eines soll Spiegelei werden, eines hartgekocht und das dritte dem Artenschutz dienen. "Die Zukunft besteht aus Eigelb und Eiklar", heißt es in "Der Anti-Storch". Das Stück ist ein theatraler Essay über den Waldrapp, der ein grottenhässlicher und so gut wie ausgerotteter Vogel ist. Früher gab es ihn überall, heute nur noch im Zoo. "Vermissen Sie ihn? Fehlt er Ihnen?" Mit einem Ausschnitt aus dem Projekt gewann das zweiköpfige Performancekollektiv Dorn°Bering den Nachwuchswettbewerb des Theaters Drachengasse 2018. Zu Recht. Das Stück funktioniert auch in Abendspiellänge wunderbar. Ein erstaunlicher, witziger und kluger Abend, zu einem aktuellen Thema, dem "Artensterben".

Das Beste der Woche FALTER 08/19


Differenziertes Spiel über Weiß und Schwarz

„Der Anti-Storch“, Stück über den fast ausgestorbenen Waldrapp, Schönheitsideale und Aberglauben, im Theater Drachengasse.

Eine Vielzahl hängender und stehender Mikrofone mit auffallenden roten Kabeln - ein optisches Zusammenspiel von schwarz und rot. Das ist der erste Eindruck der Bühne beim Stück „Der Anti-Storch“ (noch bis 27. Februar 2019 im Wiener Theater Drachengasse). Die Farbkombination setzt sich in den Kostümen der später auftauchenden beiden Schauspieler_innen - Gesa Bering und Stephan Dorn – fort.

Die Farben nehmen Bezug auf die Figur, um die sich die folgende Stunde dreht, den Waldrapp. Dieser schwarze Vogel mit langem, gebogenem, roten Schnabel und – schon ab der Pubertät - wenig Haaren auf dem Kopf ist fast ausgestorben. Nicht zuletzt, weil er aufgrund seines schmackhaften Fleisches massenhaft gejagt wurde. (Über Wiederaufzucht- und –Ansiedlungsprogramme siehe weiter unten.)

Zufall stand am Beginn

Stephan Dorn hat, wie er dem Kinder-KURIER nach einer Aufführung erzählt, eines Tages bei einem Besuch im Berliner Tiergarten diese Vögel zum allerersten Mal in seinem Leben gesehen – und dazu gleich das Schild mit der Info über die fast ausgestorbene Art. Das war der Ausgangspunkt für die Beschäftigung des Theaterduos mit diesem Vogel. Während der schöne, weiße Storch allgemein als Glücksbringer gilt, werden dem Waldrapp – wie anderen schwarzen Vögeln – negative Vorzeichen angedichtet – bis hin dazu, todbringendes Symbol zu sein. Aber nicht nur weiß und schwarz fanden die beiden als Gegensätze, sondern auch hübsch und hässlich. Ausgehend davon entwickelten das Duo ein Kurzstück dazu für den Nachwuchswettbewerb des Theaters Drachengasse, der im Vorjahr das Thema „Narziss, du Opfer!“ hatte. Die Jury befand, dies sei das Beste der Kurzstücke dazu gewesen. Der Preis ist jeweils die Förderung, um daraus ein abendfüllendes Stück zu erarbeiten.

Ist der Vogel vielleicht selber schuld, weil er so schiach war/ist? Wer darf befinden, was hässlich und was schön ist? Hätte den Waldrapp überhaupt wer vermisst, wäre er zur Gänze ausgestorben? Humorvoll spielt das Duo mit nur wenigen Requisiten wie u. a. einem Nest mit drei großen (Straußen-)Eiern vor allem mit Sprach und Wortwitz, mitunter Schachtelsätzen und Phrasen, die an Politik-Sprecherinnern, Aussagen relativieren. Anspielungen und Gedankenanstöße in Richtung Umgang der Menschen miteinander werden höchstens angetippt, spinnen sich aber in den Köpfen des Publikums fort.

Waldrapp-Überleben

Aufwendig versuchen einige Tiergärten seit Jahren diese Vogelart aufzuziehen, um anschließend sie in freier Natur auszuwildern. Der Waldrapp hat mit Wald eigentlich nichts zu tun, nistet in Felsspalten und ernährt sich vorwiegend von Würmern, die er mit dem Schnabel aus Wiesenböden aufpickt, in die Luft wirft, um sie dann aufzufangen und zu verschlingen. Da es sich beim (Wald)Rapp um einen Zugvogel handelt, aber keiner der Vögel weiß, wohin, gibt es Projekte in denen Waldrappe mit Hilfe von Mini-Leichtflugzeugen und Gleitschirmen über die Alpen gelotst werden.

Vogel-Trilogie

Das Performancekollektiv Dorn ° Bering hat, angesteckt von der Beschäftigung mit den Waldrappen noch zu anderen Vögeln recherchiert und, wie die beiden im KiKu-Interview schildern. Ein Stück über den Riesenalk haben sie schon gespielt. Die letzten Exemplare dieses flugunfähigen Schwimmvogels, der in seinem Aussehen an Pinguine erinnert, aber auf der Nordhalbkugel lebte, wurden vor 175 Jahren ausgerottet. Überliefert ist, dass 1844 zwei brütende Riesenalke auf Island, dem letzten Zufluchtsort dieser Vögel erwürgt und die Eier zertreten wurden.

„Und unser nächsten Stück machen wir über eine Vogelplage, die Nilgans. Ihr angestammter Lebensraum sind subtropische Seen und Flüsse, etliche Exemplare wurden aber – schon seit dem 18. Jahrhundert - als Ziervögel in Europa angesiedelt. Beginnend in den Niederlanden entkamen vor rund 50 Jahren einige Exemplare, vermehrten sich sozusagen in freier Wildbahn, verbreiten sich vor allem entlang des Rheins in Deutschland, mittlerweile bis in die Schweiz. Sie werden zur Plage und werden in einigen Städten wie Frankfurt schon gejagt, weil sie auch Krankheiten verbreiten.

kurier.at, 21.02.2019


Der Anti-Storch
Performancekollektiv Dorn ° Bering
Jury- und Publikumspreis des Nachwuchswettbewerbs 2018

 

Jury-Begründung

Die Inszenierung „Der Anti-Storch“ von Dorn°Bering hat uns sowohl stilistisch als auch inhaltlich überzeugt. Das Kollektiv hat eine besondere Form gefunden, die sehr gekonnt zwischen performativen Elementen und theatralen Setzungen changiert. Der Text ist witzig formuliert und wird von den beiden Akteuren sehr präzise gesetzt.

Man kann den „Anti-Storch“ als eine Art Anti-Fabel bezeichnen. Vordergründig geht es um die Geschichte des Waldrapps, einer ausgestorbenen Vogelart. In diesem Zusammenhang werden aber auch unangenehme Fragen aufgeworfen, die weit über das Artensterben hinausgehen. Der hässliche Waldrapp wird zum Wappentier für eine Gesellschaft, in der Image und äußerliche Werte alles sind, einer Welt, in der die Underdogs selbst schuld an ihrem Untergang sind.

Gesa Bering und Stephan Dorn stellen solche Fragen, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. Nie wird dem Publikum der Spiegel vorgehalten. Dennoch lässt die Performance keinen Zweifel daran aufkommen, dass unsere Welt einen Vogel hat. Die Jury ist neugierig darauf, wie eine abendfüllende Version der Inszenierung aussehen könnte. Werden dabei womöglich auch andere Vögel ins Spiel kommen? Wir möchten es wissen. Deshalb vergeben wir den Preis an Dorn°Bering.

Esther Holland-Merten, Wolfgang Kralicek, Veronika Steinböck


Spielplan Januar 2022