SCHÄFCHEN IM TROCKENEN

  • nach dem Roman von Anke Stelling
  • Theater Drachengasse
  • 13. Jänner – 1. Februar 2025, Di–Sa um 20 Uhr

Keine Sorge, ich klage nicht. Ich bin selbst schuld.
Warum habe ich auch all diese Kinder gekriegt?

Resi ist Schriftstellerin, Frau und kommt aus einfachen Verhältnissen. Sie hat vier Kinder mit dem bildenden Künstler Sven und lebt mitten in der Stadt zur Untermiete in einer großen Altbauwohnung. Geld ist der Familie nicht so wichtig. Sie kommen ganz gut klar.

Erst als ihr Mietvertrag überraschend gekündigt wird, fällt es Resi wie Schuppen von den Augen: Sie sind raus. Aus der Wohnung. Aus der Innenstadt. Raus aus der Clique, deren erbfähiger Teil schon lange in Richtung Eigenheim abgebogen ist. Plötzlich findet sich Resi nicht mehr als Aufsteigerin, sondern als Außenseiterin wieder. Sie wird die ungewollte Protagonistin eines Klassenkampfs, den sie nie wirklich wahrhaben wollte. Vielleicht war sie dumm, naiv, zu gutgläubig. Vielleicht ist sie einfach reingefallen?

Resi bezwingt ihre innere Scham vor der Selbstdiagnose „Unterschicht“. Und dann packt sie die Wut. Sie ist fest entschlossen, ihre Kinder jetzt aufzuklären und wendet sich direkt an ihre älteste Tochter Bea, ob die will oder nicht. Sie erzählt von der Verheißung eines alternativen Lebens und dem Landen im elterlichen Alltag. Über den Traum von Chancengleichheit, der irgendwann geplatzt ist. Über die Selbstermächtigung, die der einzelnen verspricht, entgegen aller äußeren Superkräfte die eigenen Ideale verwirklichen zu können.

Isabella Sedlak verwandelt gemeinsam mit Anna Gschnitzer die vielfach ausgezeichnete, ätzende Parabel auf soziale Ungleichheiten und Klassismus von Anke Stelling in ein rasant unterhaltsames Bühnenstück, das in Bösartigkeit und Witz seiner Romanvorlage in nichts nachsteht.

Bühnenfassung, Regie: Isabella Sedlak
Bühnenfassung: Anna Gschnitzer
Bühne, Kostüme: Karoline Bierner
Musik: Philipp Pettauer
Bühnenillustrationen: Deniz Beşer
Choreographie, Regieassistenz: Hannah Zauner
Hospitanz: Jules Werner
Es spielen: Barča Baxant, Melina von Gagern, Edwarda Gurrola, Bettina Schwarz

Rechte bei Verlag der Autoren, Frankfurt am Main
Rechte der Buchausgabe bei Verbrecher Verlag, Berlin

HÖRBEISPIEL

Dauer: 80 Minuten

Furiose Aufforderung zum Wütend-Sein
Anke Stellings "Schäfchen im Trockenen" – dramatisiert im Theater Drachengasse

Ein einziger Satz im Tagebuch ist alles, was Resi von ihrer Mutter geblieben ist: "Wieder viel zu viel gegessen." Anlass für die Tochter, selbst ihre Diäten zu reflektieren. Doch ihre Gedanken gehen tiefer, schweifen zurück in ihre Kindheit, zum 60er-Jahre-West-PVC-Boden in der Wohnung ihrer Eltern, zum Schrubben der Mutter und zu ihrem Schweigen über die oft unerträglichen Zustände und über das, was ihre Tochter zu erwarten hat.

Resi ist die zentrale Figur in Anke Stellings 2019 mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnetem Roman "Schäfchen im Trockenen". Isabella Sedlak und Anna Gschnitzer haben aus dem furiosen Text für das Theater Drachengasse eine Fassung für vier Schauspielerinnen geschaffen. Resi, Mutter von vier Kindern, ist Schriftstellerin und Partnerin eines Künstlers. Wie ihre Schöpferin lebt sie im Berliner Viertel Prenzlauer Berg in der Wohnung eines Freundes, weil sie in der Nähe ihrer Freundinnen bleiben will. Sie schreibt einen autobiografischen Roman über eine Mutter, die mit dem Wohlstand ihrer Freundinnen nicht mithalten kann. Ihre Wut, ihre Verzweiflung lässt sie Literatur werden, auch ihre Freunde. Das nimmt man ihr übel, der Freund kündigt ihr den günstigen Mietvertrag.

Stelling erzählt vom heutigen Klassenkampf, von der Aussichtslosigkeit einer immer mehr verschwindenden Mittelschicht. Sedlak vermittelt das in ihrer reduzierten Regie. Sie teilt den Text auf ihr exzellentes Ensemble (Barča Baxant, Melina von Gagern, Edwarda Gurrola, Bettina Schwarz) auf. Alle sind Resi, sprechen aber auch andere Figuren. Mit Songs von Bruce Springsteen und anderen Hits aus den 80ern, die in den Text verwoben sind, schreien sie ihre Wut heraus. Am Ende bleibt die Hoffnung – und ein Quantum Ratlosigkeit. In die Begeisterung des Premierenpublikums kann man nur einstimmen.

Kurier, 15. 01. 2025


Der Zorn brodelt in der Drachengasse
"Schäfchen im Trockenen" ist ein radikaler Angriff auf die scheinbar naiven Träume der Mittelklasse

Resi ist Schriftstellerin, die aus der Mittelklasse stammt und mit ihren vier Kindern in einem wohlhabenden Teil der Berliner Innenstadt lebt. Die plötzliche Kündigung ihres Mietvertrags stürzt sie in eine existenzielle Krise, in der sie von einer Aufsteigerin zur Außenseiterin mutiert und realisiert, dass ihre Träume von Chancengleichheit nur eine Illusion waren.

Schäfchen im Trockenen ist die berührende Geschichte einer Frau und Mutter, die sich in Selbstverwirklichung und Statusdrang verliert. Regisseurin Isabella Sedlak brachte Anke Stellings Roman am Montag im Theater Drachengasse zur Aufführung. Die rasante Ausseinandersetzung unterhält mit beeindruckender Livemusik, bitterer Komik und beißender Wut – und wurde von Anna Gschnitzer dramatisiert.

In einem furiosen Monolog, der sich über das gesamte Stück streckt, erzählt Resi von ihrem Verlust der vermeintlichen Lebensgrundlage und den emotionalen Belastungen, die mit der Mutterrolle und der Angst vor sozialem Abstieg einhergehen. Ihre Wut steht dabei für die einer ganzen Generation, die erkennt, dass Wohlstand und andere Privilegien für viele trotz aller Bemühungen unerreichbar bleiben. Um dieses Leiden sichtbar zu machen, schlüpfen die vier Darstellerinnen in einem dynamischen Wechsel in die Rolle der Hauptfigur. Gemeinsam mit Musiker Philipp Pettauer verstärkt das Ensemble die emotionale Intensität durch melancholische Klavierklänge, Percussion und dröhnende Rockmusik und bringt so die ansonsten schlicht gehaltene Kulisse zum Beben.

Sozialer Diskurs auf der Bühne
Schäfchen im Trockenen ist ein Stück, das den gegenwärtigen sozialen Diskurs mit Energie auf die Bühne bringt. Sedlak und Gschnitzer gelingt damit ein fesselndes Theatererlebnis, das sich durch exzellente Schauspielleistung und Vielschichtigkeit auszeichnet.

Der Standard, 16. 01. 2025


Spielplan Januar 2022