Der Anfang, das Ende.
- gestreamt aus dem Theater Drachengasse
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Online-Premiere am 11. Mai 2021 um 20 Uhr,
weitere Streaming-Termine: 14., 15., 20., 29. und 30. Mai 2021 um 20 Uhr
Publikumsgespräche via Zoom finden jeweils im Anschluss an die Online-Übertragung ab der 2. Vorstellung statt.
Tickets gibt es hier: www.eventbrite.at
Kartenpreis: € 10.-
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A version with english captions is now available on demand from May, 18th to 30th: www.eventbrite.at
So werden wir irgendwann gewesen sein.
Wenn mit dem Vater nicht mehr auf Urlaub gefahren werden kann und die Mutter nach 40 Jahren wieder mit Genuss zu rauchen beginnt. Wenn die eine schneeweiß strahlend am Segelboot die perfekten Zähne zeigt und der andere seine nicht mehr findet und jemand anderer es hoffentlich tut.
Dann sind wir angekommen beim Altwerden, beim reich und schön Altwerden oder beim Altwerden, das keiner sehen will. Es ist zu befürchten, dass diese Angelegenheit in der einen oder anderen Form früher oder später alle betreffen wird. Der eine wird Entscheidungsmöglichkeiten haben. Für die andere wird entschieden werden. Die eine kann sich auf der Höhe des Lebens konservieren. Und für den anderen tritt das Kleingedruckte in Kraft, das niemand lesen will.
Regie: Franz-Xaver Mayr, Korbinian Schmidt
Dramaturgie: Moritz von Schurer
Bühne, Kostüme: Korbinian Schmidt, Verena Geier
Kamera: Pia Wolkenstein, Moritz von Schurer
Schnitt: Pia Wolkenstein
Komposition, Tonmischung: Matija Schellander
Maske: Inge Schrammel
Regieassistenz: Sarah Maringer
Ausstattungsassistenz: Julius Brauns
Es spielen: Johanna Baader, Nehle Breer, Johannes Meier, Moritz von Schurer, Stefan Stern
English translation: Anne Kozeluh
Älter werden
Alter Hund klagt: "Der Anfang, das Ende" im Theater Drachengasse
Ein bemerkenswerter Theaterfilm, der den abgegriffenen Bildern vom Altsein mit ureigenen Szenen begegnet
Franz-Xaver Mayr gehört zu den spannendsten Regisseuren der jüngeren Generation – das haben in den letzten Jahren Inszenierungen mit starkem ästhetischem Zugriff gezeigt, sei es am Burgtheater, am Grazer oder am Wiener Schauspielhaus. Oder auch im Theater Drachengasse, wo er nun in Koregie mit Korbinian Schmidt beweist, dass auch in nur 45 Minuten der Funke überspringen kann. Der Anfang, das Ende, eine im Team erstellte Gedankencollage über das Altsein und Sterben, ähnelt einem Experimentalfilm mehr als einem Theater. Eine entschiedene Setzung, die wie ein vorläufiger Endpunkt im gesteigerten Streamingaufkommen wirkt.
Im Film ist keine Bühne mehr erkennbar, findet keine Interaktion statt und sprechen Figuren ausschließlich einzeln frontal in die Kamera. Und doch ist das höchst theatralisch. Höhepunkt dieser außergewöhnlichen Filmtheaterarbeit ist ein circa zehnminütiger Redeschwall eines Mannes mit abstehendem Haarkranz in Orange, der von den kapitalistisch determinierten öffentlichen Bildern des Alters spricht (kurz: solange man als Kaufkraft brauchbar ist, bleibt man auch sichtbar). Sein ruhiger und doch scheinbar atemloser Vortrag endet in einem Plädoyer für kreativere Vorstellungen vom Greisendasein.
Tanzende Skulpturen
Abstehender Haarkranz in Orange? Ja. Und der gestalterischen Ideen noch mehr: ein minutenlang im Kreis fliegender Müllknäuel (?), ein in der Luft tanzender Polsterüberzug (?) oder zwei mit bunten Stoffwürsten drapierte tanzende Skulpturen. Mayer inszeniert in Der Anfang, das Ende auch bildnerische Elemente, die in wandelnder Lichtgebung oder Überblendungen zu leben beginnen. Allen Repräsentationskitsch in Bezug auf das Alter sprengt die Inszenierung weg, indem sie Wesen sprechen lässt, die zauberhaft geschminkte Tierköpfe tragen (Bühne und Kostüme: Korbinian Schmidt, Verena Geier).
Ein Fuchs spricht über den Alkoholtod seines Vaters und dass es ein Heim gebe, in dem sich Alkoholkranke kontrolliert totsaufen könnten. Eine Luchskatze hält fest, dass sie von ihrer Familie ungefragt sämtliche Pflegearbeiten umgehängt bekommen hat. Und ein alter Hund beschwert sich über die Regeln (Waschen, Zähneputzen), mit denen die Kinder und die Pflegepersonen täglich nerven. So findet ein am Theater wenig verhandeltes Thema eine eigene, bemerkenswert ernste und dabei doch leichte Form.
Der Standard, 13.5.2021