Ein Haus in der Nähe einer Airbase

  • Akin Emanuel Şipal
  • Theater Drachengasse
  • 4. – 30. März 2019
    Di-Sa um 20 Uhr
    Im Anschluss an die Vorstellung am 22. März 2019 laden wir ein zur Podiumsdiskussion























Ihr imaginiert euren Traum von Heimat in einen Trümmerhaufen.

Ein Ehepaar mit türkischen Wurzeln entscheidet sich, in ein neues Leben aufzubrechen. Sie geben ihre Existenz in Deutschland auf und lassen sich dauerhaft in ihrem Ferienhaus in der Südtürkei nieder. Der Vater will sämtlichen Bauern der Gegend Solarpanels verkaufen, die Mutter will die privilegierten Frauen der Luxussiedlung therapieren. Und die Tochter will einfach nur zurück nach Deutschland.

Doch die Kleinbauern haben andere Sorgen als Solarpanels, und die Elitefrauen tragen ihr Geld lieber in das nächste Einkaufszentrum oder in einen Woody Allen Film. Die Tochter hingegen findet doch noch einen Grund zum Bleiben: Sie verliebt sich in einen amerikanischen Soldaten der nahegelegenen Airbase, von der aus die Amerikaner den Nahen Osten angreifen. Für den ist der Krieg viel realer als der Frieden. Und für die Familie? Sie bewegt sich, von der Sonne erschöpft wie belebt, zwischen Anschlägen und saftigen Orangen, zwischen großen Werbeplakaten und Bauern, die für sie beten. Kann ihre Sehnsucht sich ob dieser politischen Realitäten erfüllen?

Regie: Sandra Schüddekopf
Bühne, Kostüme: Andrea Fischer
Musikalische Mitarbeit: Rupert Derschmidt
Regieassistenz: Carmen Jelovcan
Es spielen: Reinhold G. Moritz, Sonja Romei, Johannes Schüchner, Sümeyra Yilmaz

Im Anschluss an die Vorstellung am 22. März 2019 laden wir ein zur Podiumsdiskussion

Heimat – ein umkämpfter Begriff

Teilnehmer*innen:

Sandra Schüddekopf
Regisseurin

Prof. Mag. Bernhard Heinzlmaier
Sozialwissenschaftler, Meinungs- und Jugendforscher, Institut für Jugendkulturforschung

Dipl.-Soz. Wiss. Kenan Dogan Güngör
Soziologe, [think.difference], Büro für Gesellschaft, Organisation, Entwicklung


Trailer

Hörbeispiel

Rechte bei Suhrkamp Verlag Berlin

Verbrannte Träume in der Ferienlandschaft

Erstaufführung: "Ein Haus in der Nähe einer Airbase" im Theater in der Drachengasse.

"Im Ferienhaus zu leben, ist, wie sein Hobby zum Beruf zu machen", sagt die Tochter in Akn Emanuel Şipals ideologisch aufgeladenem Heimatstück "Ein Haus in der Nähe einer Airbase", dessen österreichische Erstaufführung am Theater Drachengasse zu sehen ist. Doch so einfach ist das mit den gelebten Träumen nicht: Der Vater der Kleinfamilie mit türkischen Wurzeln, die sich im Urlaubsdomizil ihr neues "Baba Evi" (Vaterhaus) aufbauen will, versucht, das Umland von Adana von den Vorzügen der Solarenergie zu überzeugen.

Die Mutter funktioniert das Eigenheim zur psychotherapeutischen Praxis um, scheitert jedoch bereits am Versuch, die Frauen der Gated-Community-Siedlung für ihre Dienste zu begeistern.

Die Tochter flieht vor der Eintönigkeit der neuen Eliteschule und verliebt sich in einen in der Nähe stationierten verwundeten US-Soldaten. Der Onkel schaut vorbei und liest, selbst gescheiterter Autor, seinen Verwandten ordentlich die Leviten. Am Ende kriechen die Insekten aus allen Ritzen und nehmen Besitz vom langsam verfallenden Haus der Ideale, der Vater wird überfallen und beraubt, und Baba Evi geht in Flammen auf.

Sandra Schüddekopf inszeniert die multiperspektivisch erzählte tragikomische Heimatsuche solide in goldgelben Tönen. Die vier Darsteller jagen souverän in immer wieder überraschenden räumlichen Konstellationen durch den robusten, wenn auch etwas plakativ gezimmerten Text über zerklüftete Lebensläufe und Transgenerationalitätsgeschichten ohne Ende.

Wiener Zeitung, 6.3.2019


Sommerhaus, immer: Episoden aus der Heimat

Die Mutter (Sonja Romei) will Psychotherapie praktizieren, der Vater (Reinhold G. Moritz) Solarpaneele verkaufen. Die Tochter (Sümeyra Yilmaz) gilt in der neuen Schule als Göttin und angelt sich einen US-Soldaten (Johannes Schüchner). Interessant ist das in "Ein Haus in der Nähe einer Airbase" von Akın Emanuel Şipal, weil es in der Südtürkei passiert, wo die deutschtürkische Familie seit kurzem dauerhaft in ihrem Ferienhaus wohnt. Sandra Schüddekopf hat die österreichische Erstaufführung treffend besetzt, witzig und teils zu hektisch inszeniert. So viel das kluge Stück des deutschen Autors, Jg. 1992, über Geschichte und Heimat zu sagen hat, wirkt es hier durch die vielen Episoden und die unklare Erzählform - teils chorisch, teils sprechen Figuren über sich in der dritten Person -wie eine wirre Romanadaption.

FALTER 11/19 vom 13.03.2019


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